hyperraum
Luka∗s steht kurz vor dem Abschluss des Studiums »Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus« mit dem Schwerpunkt Medien und Theater. Dort erstellt Luka∗s vor allem multimediale Arbeiten, die darauf abzielen, den klassischen Textbegriff zu erweitern oder infrage zu stellen und arbeitet an Figurenbezeichnungen in Theatertexten jenseits des Binären. Als neurodivergente Person setzt Luka∗s sich außerdem für die Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten und Persönlichkeitsstörungen ein. Luka∗s nutzt im Idealfall keine Pronomen, vereinzelt aber auch genderneutrale Pronomen wie they/them oder er∗sie.
Was bedeutet für dich der Begriff der Gleichberechtigung?
Das ist eine sehr zur Phrase gewordene Frage. Gleichberechtigung ist für mich Chancengleichheit, es bedeutet, benachteiligungsfreie und barrierefreie Räume zu schaffen, in denen alle marginalisierten Menschen auf Augenhöhe mit jeweils Privilegierteren teilhaben können. Intersektionalität ist hier für mich ein wichtiges Konzept, da es auch mehrfachdiskriminierten Personen, beispielsweise wie bei mir durch unter anderem Transfeindlichkeit und Ableismus, einen Platz gibt. Es ist für mich allerdings schwierig festzumachen, ab wann es Gleichberechtigung gibt und ich bin mir aufgrund von regressiven Gegenbewegungen und Widerständen nicht sicher, ob ich eine solche Gleichberechtigung noch erleben werde.
Welche Rolle spielt deiner Meinung nach unsere Sprache in diesem Zusammenhang?
Sprache und Kommunikation vermitteln Ideen, bringen anderen Konzepte nahe, lehren und empowern Menschen. Sprache benennt, zeigt und deutet, archiviert, schließt aber ebenso aus. Ohne Sprache würde Geschichte nicht funktionieren, da wir nur durch eine Form von Sprache jene Dinge, die wir benennen oder abbilden können, weitergeben. Das, was wir ausschließen, gerät in Vergessenheit. Allein aus diesem Grund ist es wichtig, sprachlich auf die Unvollkommenheit der Gesellschaftsstruktur hinzuweisen. Es ist aber auch psychisch sehr zermürbend, sprachlich nicht vorzukommen und übergangen zu werden.
Hast du also bereits Diskriminierung durch Sprachgewohnheiten anderer erfahren? Wie gehst du mit dieser Thematik um?
Da fällt mir als erstes Misgendering ein, mein Umgang im Bezug darauf hat sich in den letzten Jahren auch etwas verändert. Als ich mich im November 2019 erstmals explizit mit meinen Pronomen vorstellte und dann erfuhr, dass eine Person, die auch ansonsten ziemlich konservative Einstellungen hatte, ein falsches Pronomen für mich verwendete, verließ ich halb weinend den Raum. Die Situation wirkte auf mich wie ein explizit passiv-aggressiver Angriff. Mittlerweile bin ich eher im Augenroll-Modus, obwohl es trotzdem faktisch immer ein Absprechen meiner Existenz und eine Machtdemonstration des Gegenübers ist. Egal, ob gewollt oder nicht, der Effekt bleibt derselbe. Das ist immer wieder frustrierend, mit der Zeit habe ich mich nur leider daran gewöhnt, ich erwarte es schon fast misstrauisch. Tatsächlich passiert es auch cis Freunden und cis Freundinnen & Bekannten immer wieder, im Gegensatz zu trans∗ Freund∗innen & Bekannten übrigens, was mir immer wieder Kraft raubt. Ich habe keine Lust auf Zerwürfnisse, aber gleichzeitig sollte es auch nicht passieren, dass ich falsch angesprochen werde.
Und dann gibt es immer wieder das Thema Gendern, und viele akademische cis Männer, die Pseudo-Argumente der Ästhetik oder der Sprachzerstörung anführen, durch ein einziges Sonderzeichen, das schon hunderte Jahre lang existiert – Sprachveränderungen sind normal, wir sprechen logischerweise nicht mehr wie im 20. Jahrhundert, genau wie sich damals auch die Sprache von der im 19. Jahrhundert unterschied. Gegenüber echter Gewalt an trans∗ Personen, die auch aus der sprachlichen Unsichtbarmachung resultiert, ist das einfach nur lächerlich. Diese Menschen haben Blut an den Händen (Suizid ist für mich bei gesellschaftlich verursachter Gewalt immer explizit eingeschlossen) und wissen es nicht einmal. Gerade als unter anderem schreibende Person ist es mir wichtig, offensiv zu zeigen, dass die Sprachpolizei-Keule immer fehl am Platz ist, und dass beispielsweise der Asterisk, also das Sternchen, auch visuell eine sehr bereichernde Form in Texten sein kann, da er auf die Gesellschaft hinweist, auf das Offene und das Nicht-Ausreichende und auf das Kommende.
Was würdest du generell im Bezug auf Gleichberechtigung aktuell an unserer Sprache kritisieren, was empfindest du als problematisch?
So etwas wie das Gendern findet erst langsam seinen Weg. Als ich 2016 zu Schulzeiten mit einem Unterstrich genderte, war diese Thematik noch sehr neu und ich musste mich dafür rechtfertigen, warum ich es beispielsweise in allen Schularbeiten so handhabte. Ein paar Jahre später ist das Gendern nun in anderen Kontexten nicht mehr wegzudenken, allerdings auch immer nur in meinen Filterblasen. Ich wohnte erst neulich einer Situation bei, in der sich eine cis Frau gegen das Gendern aussprach, da doch mit dem generischen Maskulinum alle mitgemeint seien. Was soll ich dazu noch sagen? Viele Menschen denken nicht über das Binäre hinaus und kennen oft kaum trans∗ Menschen, das ist sehr frustrierend.
Ich wurde noch im Februar 2020 bei einem Seminar an einem Theater, bei dem wir Texte haben lesen lassen, von Schauspielenden gefragt: »Müsst ihr jetzt eigentlich alle gendern?« Mich hat es sehr irritiert, dass Gendern noch immer als etwas Verpöntes, Seltsames und Unnormales in literarischen Texten gilt. Guess what? Literatur spiegelt Gegenwart wider, aber auch Zukunft. Gendern ist keine unangenehme Bürde, sondern eine Bereicherung. Mir ist online wie offline aufgefallen, dass häufig Menschen ihre vermeintliche demokratische Mehrheit als Legitimation für diskriminierende Aussagen gegenüber Minderheiten nutzen. Viele Menschen fühlen sich durch marginalisierte Minderheiten bedroht und wollen ihre demokratische Mehrheitsposition gegen diese instrumentalisieren. Das ist für mich keine Gleichberechtigung, sondern viel eher »toxische Demokratie« – Demokratie, die Leuten beigebracht hat, dass die Mehrheit immer und zweifelsfrei im Recht sei. Das stimmt schlicht und einfach nicht.
Was würdest du gerne an unserer Sprache verändern und wieso?
Es gibt sehr vieles, das noch zu verändern ist. Zum Beispiel beklagen sich weiße∗ alte Menschen beim WDR drüber, dass sie das N-Wort nicht mehr sagen dürften. Es sollte allerdings selbstverständlich sein, dass sie dies nicht tun. Eine solche Situation ist beschämend, aber verwundert nicht in Anbetracht der bisherigen Besetzungspraktiken, der Machtverhältnisse und der über Jahrzehnte hinweg verkrusteten Diskurskultur einer solchen Institution, auf der sich ausgeruht wird, die jedoch einer tief greifenden Umstrukturierung bedarf. Margarete Stokowski titelte sehr treffend im März 2021 in ihrer Spiegel-Kolumne: »Alles anzünden«, was glaube ich auf ganz vieles übertragbar ist.
Was bedeutet gendergerechte Sprache und gendergerechtes Schreiben für dich?
Für mich bedeutet es, Formen des generischen Maskulinums rigoros nicht zu verwenden. Aber zum Beispiel auch, dass ich Figuren in meinen Texten kein Gender von außen aufdränge.
Wo siehst du Probleme oder Hindernisse beim Erreichen einer gendergerechten Sprache?
Probleme und Hindernisse sind immer die einflussreichen und beeinflussenden Personen, aber vielleicht auch der Konflikt mit der Gegenwart – viele Menschen verstecken sich rückgratlos in der Ausrede, dass sie einfach nur die sogenannte Realität abbilden würden und daher auch nicht zu gendern bräuchten. Ich bin mir daher nicht sicher, ob eine gendergerechte Sprache unter den aktuellen Umständen und Widerständen erreichbar ist.
Wie gehst du mit Menschen um, die sich gegen die Verwendung einer gendergerechten Sprache aussprechen?
Menschen, die sich dem verweigern, sind im Regelfall auch diejenigen, die trans∗ und nichtbinären Personen und damit auch mir meine Existenz absprechen. Ich existiere also nicht, wie sollte ich dann mit ihnen diskutieren können? Diese Menschen drehen im Regelfall alles gewaltvoll gegen mich und lassen sich nicht darauf ein, daher sehe ich keinen Grund, ihnen entgegenzukommen.
Welche Möglichkeiten der gendersensiblen Sprache verwendest du?
Ich benutze Sternchen und spreche diese auch mit, da ich finde, dass die Lücke beim Sprechen uns unsichtbar macht und sich nicht deutlich vom Binnen-I unterscheidet. Ich weiß nicht, wer sich diese Sprechart ausgedacht hat, genauso wird ja auch beim Doppelpunkt argumentiert, dass er die Lücke kleiner und unauffälliger machen würde. Aha! Schön, dass ihr uns wieder unsichtbar machen wollt! Die andere, nachvollziehbarere Argumentation ist die der Barrierefreiheit, die jedoch vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. nicht bestätigt wird, da der Doppelpunkt auch andere wichtige Funktion in Screenreadern erfüllt. Ich selbst spreche ihn aber auch, wie generell Sonderzeichen, innerhalb von Wörtern in poetischen Texten lautlich mit, da sie für mich auch ein Klangkorpus sind und nicht nur ästhetische Deko.
Was wünscht du dir im Bezug auf gendergerechte Sprache für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass eine solche von allen anerkannt wird, und dass ich nicht mehr beispielsweise bei Formularen mit einer binären Option konfrontiert bin, da diese mich per se ausschließt.