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Ira ist zugleich Studentin, Angestellte, Selbstständige und Aktivistin. Sie setzt sich aktiv für Menschenrechte und feministische Themen ein, arbeitet mit marginalisierten Personen und Gruppen zusammen und unterstützt verschiedene Proteste und Aktionen. Ihr Ziel ist es, Aufmerksamkeit für wichtige Themen zu schaffen und über diese aufzuklären. Iras Pronomen ist sie.
Was bedeutet für dich der Begriff der Gleichberechtigung?
Gleichberechtigung wird oft als das Ziel der feministischen Bewegung wahrgenommen, eigentlich stellt diese aber nur einen Zwischenschritt dar, um letztendlich Gerechtigkeit zu erreichen. Wir müssen zunächst eine Gleichberechtigung herstellen, was die Anerkennung von Menschenrechten aller Gruppen angeht, und im nächsten Schritt folgt dann die Gerechtigkeit. Diese wird von der feministischen Bewegung gefordert, um jeden Menschen entsprechend unterstützen zu können, beispielsweise im Bezug auf individuelle Bildungsförderung.
Welche Rolle spielt deiner Meinung nach unsere Sprache in diesem Zusammenhang?
Kommunikation und Sprache sind ein wichtiger Bestandteil der feministischen Bewegung, da unsere Sprache oft frauenfeindlich ist oder Minderheiten diskriminiert. Dabei geht es nicht nur um das generische Maskulinum, sondern auch um Schimpfwörter und Begriffe, die inhaltlich eine Minderheit beschreiben und als Beleidigung formuliert werden. Das sogenannte Gendern bezieht alle Geschlechter in die Sprache mit ein. Sprache ist bedeutsam: Sie wirkt sich auf unsere Wahrheit und unsere Gesellschaft aus, auch unsere Wahrnehmung wird von Sprache beeinflusst. Durch die Sichtbarmachung und Inklusion aller Geschlechter in der Sprache können wir jedem Menschen respektvoll begegnen.
Hast du also bereits Diskriminierung durch Sprachgewohnheiten anderer erfahren?
Die meiste Diskriminierung erfolgt durch Sprache. Dass man mich auf mein Geschlecht, meine Herkunft oder meine Haarfarbe reduziert, kenne ich allzu gut, auch wenn ich nicht zu einer stark marginalisierten Gruppen gehöre. Dass es im Nachhinein »nicht böse« gemeint ist, gehört zur Diskriminierung irgendwie dazu. Dies nehme ich allerdings nicht hin.
Wie gehst du mit dieser Thematik um?
In solchen Situationen versuche ich klarzustellen, dass die getätigte Aussage keine Meinung, sondern eine Diskriminierung darstellt. Darauf folgt oft das bekannte »So war das nicht gemeint«, anschließend hin und wieder ein Gespräch über den Hintergrund, was Diskriminierung ist und warum die Person bestimmte Aussagen unterlassen sollte. Mittlerweile lasse ich Situationen wie diese nicht mehr so nah an mich ran.
Was würdest du generell im Bezug auf Gleichberechtigung aktuell an unserer Sprache kritisieren, was empfindest du als problematisch?
Vor allem kritisiere ich die Ausgrenzung, welche unsere Sprache vermittelt. Wir haben viele Möglichkeiten, alle Gruppen einzubeziehen und eine Sprache für alle zu sprechen, tun dies aber aus »Tradition« nicht? Die deutsche Sprache verändert sich wie die meisten Sprachen ständig, Wörter werden eingepflegt oder sterben aus und der Sprachgebrauch wandelt sich. Ich würde unsere Sprache gerne inklusiver und für jede Personengruppe passend gestalten.
Was bedeutet gendergerechte Sprache und gendergerechtes Schreiben für dich?
Gendergerechte Sprache in Wort und Schrift bedeutet für mich, dass ich respektvoll jedes Geschlecht in meine Aussagen einbeziehen kann und dieses somit sichtbar mache. Es geht aber nicht darum, die Sprache zu verkomplizieren, und für jede Person funktioniert gendergerechte Sprache anders. Die Neutralisierung von Worten ist beispielsweise sehr unauffällig, schließt niemanden aus und zählt zu den einfachsten Möglichkeiten. Ebenso kann man sich die Sichtbarmachung durch ein Sonderzeichen mit einer femininen Wortendung angewöhnen, wie die Bezeichnung schon sagt macht diese Version die Geschlechter in der Sprache sichtbarer.
Wo siehst du Probleme oder Hindernisse beim Erreichen einer gendergerechten Sprache?
Das derzeit größte Problem ist der Abwehrmechanismus vieler Menschen, die sich gegen eine geschlechtergerechte Sprache stellen. Das können Männer sein, welche das Argument der Diskriminierung nicht nachvollziehen können, da sie selbst keine Diskriminierung erfahren. Oder Frauen, die sich in der binären Sprache und vom generischen Maskulinum inbegriffen fühlen. Gendergerechte Sprache soll ja aber alle Geschlechter einschließen, nicht nur Männer und Frauen. Bei der Aufklärung über diese Thematik ist meiner Meinung nach vor allem das Bewusstsein dafür wichtig, aber auch eine gewisse Fehlerkultur. Das Bewusstsein, damit die Menschen verstehen, was die Wortendung bewirkt und aussagt und die Fehlerkultur, da die Angewöhnung manchen Menschen vielleicht schwierig erscheinen mag, ein imperfekter Versuch aber besser ist als gar keiner. Ich selbst ertappe mich auch ab und zu dabei, wie ich einen Fehler mache, ich bemerke aber auch meine Fortschritte.
Wie gehst du mit Menschen um, die sich gegen die Verwendung einer gendergerechten Sprache aussprechen?
Ich zeige nicht mit erhobenem Finger auf die Menschen, die sich weigern, eine gendergerechte Sprache zu verwenden. Ich möchte aufklären, ermutigen und somit einen Teil zu einer inklusiveren Sprache beitragen. Tatsächlich kann ich mich nicht erinnern, jemals selbst eine Diskussion über das Gendern begonnen zu haben. Menschen hören mir zu oder sprechen mich auf meine Arbeit an und dann kommen oft Fragen wie: »Und warum ist Gendern jetzt gut?« oder »Das ist doch viel zu kompliziert, wer soll sich das alles merken?« Ich gehe gerne auf solche Fragen ein, da Gendern auch mit vielen Vorurteilen belastet ist. Wenn Menschen sich also darüber eine Meinung bilden oder sogar eine Entscheidung treffen, dann im besten Fall auf Grundlage erwiesener Tatsachen und Studien. Da die meisten meiner Gesprächspartner∗innen männlich gelesen sind, versuche ich ihnen die Ausgrenzung der Sprache mit Vergleichen und nachvollziehbaren Situationen zu verdeutlichen, in die sie sich einfach hineinversetzen können. Außerdem spreche ich die Machtverhältnisse innerhalb unserer Sprache und auch die Wahrnehmung durch Sprache an.
Welche Möglichkeiten der gendersensiblen Sprache verwendest du?
Ich engagiere mich dafür, dass unsere Sprache inklusiver wird und der Wille, das Gendern auszuprobieren, weiter wächst. Daher empfehle ich eine gendergerechte Sprache durch Sichtbarmachung oder Neutralisierung. Bei der Sichtbarmachung verdeutlicht ein Sonderzeichen weitere Geschlechter. Die Neutralisierung nimmt dem Wort die Geschlechter, wie bei dem Ausdruck »Lehrkraft«. Hier gibt es viele Möglichkeiten einzelne Wörter neu zu formulieren.